Projektmanagement in der IT: Erfolgsfaktoren
Kapitel 1: Einleitung – Warum IT-Projekte scheitern
(und was man daraus lernen kann)
Die IT ist das Rückgrat vieler Geschäftsmodelle – und doch ist das Management von IT-Projekten nach wie vor eine der größten Herausforderungen für Unternehmen. Studien wie der Chaos Report der Standish Group oder Analysen von McKinsey und KPMG zeigen regelmäßig alarmierende Zahlen: Ein erheblicher Anteil an IT-Projekten verfehlt Zeit-, Budget- oder Qualitätsziele. Manche Projekte scheitern sogar vollständig.
Typische Gründe für das Scheitern:
- Unklare Zieldefinition oder wechselnde Anforderungen
- Fehlendes Stakeholder-Management
- Unzureichende Ressourcenplanung
- Kommunikationsmängel im Team
- Technologische Komplexität und mangelndes Architekturverständnis
- Ungeeignete Projektmethodik (z. B. zu starre Planung bei agiler Projektlandschaft)
Die IT-Branche kennt diese Muster – und doch werden sie immer wieder reproduziert. Warum? Weil Projektmanagement häufig als formale Disziplin verstanden wird, nicht als ganzheitliches Steuerungsinstrument.
Ziel dieses Beitrags ist es, die entscheidenden Erfolgsfaktoren für IT-Projekte herauszuarbeiten – unabhängig davon, ob klassisch, agil oder hybrid gearbeitet wird. Die hier vorgestellten Konzepte basieren auf Praxisbeispielen, standardisierten Methoden (z. B. PMI, PRINCE2, Scrum) und Erkenntnissen aus der Beratung internationaler IT-Projekte.
Kapitel 2: Projektphasen im Überblick – Struktur schafft Orientierung
Jedes IT-Projekt durchläuft typische Phasen – unabhängig von der gewählten Methodik. Selbst in agilen Ansätzen gibt es implizite Projektabschnitte. Das Verständnis dieser Phasen ist entscheidend für Planung, Controlling und Risikomanagement.
2.1 Klassisches Phasenmodell
Das traditionelle Phasenmodell umfasst:
- Initiierung: Projektidee, Grobanalyse, Machbarkeit, Business Case
- Planung: Aufwandsschätzung, Ressourcenplanung, Risikomanagement
- Durchführung: Technische Umsetzung, Entwicklung, Customizing
- Überwachung & Steuerung: Meilensteintracking, Eskalationsmanagement
- Abschluss: Abnahme, Dokumentation, Lessons Learned

Grafik 1: Typische Verteilung des Zeitaufwands nach Projektphase
Diese Darstellung zeigt deutlich, dass die Planungs- und Umsetzungsphasen den größten Ressourceneinsatz erfordern – gleichzeitig entstehen hier aber auch die meisten Fehlerquellen.
2.2 Agile Sichtweise
Agile Methoden wie Scrum oder SAFe orientieren sich weniger an starren Phasen, sondern an iterativer Wertschöpfung. Dennoch lassen sich auch hier Meta-Phasen unterscheiden:
- Initialisierung und Teambildung
- Backlog-Erstellung und Priorisierung
- Sprint-Zyklen (Entwicklung, Review, Retrospektive)
- Delivery und Betrieb
Der Übergang von Projekt zu Produkt ist in agilen Modellen oft fließend – ein wichtiger Unterschied zum klassischen Projektbegriff.
2.3 Hybride Ansätze – Das Beste aus beiden Welten
In der Praxis zeigt sich: Reine Modelle sind selten. Viele Organisationen kombinieren klassische und agile Methoden. Beispiel: Infrastrukturbereitstellung erfolgt klassisch, während die Softwareentwicklung agil verläuft. Auch Kundenprojekte im SAP- oder Cloud-Umfeld werden zunehmend hybrid umgesetzt.

Grafik 2: Vergleich Klassisch – Agil – Hybrid
Diese Grafik vergleicht die drei Ansätze anhand zentraler Kriterien. Der hybride Ansatz punktet mit Ausgewogenheit, ist aber auch anspruchsvoll in der Umsetzung.
Kapitel 3: Stakeholder-Management – Wer mitreden darf, muss verstanden werden
Ein IT-Projekt kann nur erfolgreich sein, wenn die richtigen Personen zur richtigen Zeit eingebunden werden. Doch in der Realität wird Stakeholder-Management oft vernachlässigt oder zu spät gestartet. Die Folge: Widerstände, Zielkonflikte oder fehlende Akzeptanz der Ergebnisse.
3.1 Was sind Stakeholder im IT-Projekt?
Stakeholder sind alle internen oder externen Personen bzw. Gruppen, die vom Projekt betroffen sind oder es beeinflussen können. In IT-Projekten zählen dazu typischerweise:
- Auftraggeber & Lenkungsausschuss (Budget, Strategie)
- Fachbereiche (Anforderungen, Nutzung)
- IT-Abteilungen & Entwicklerteams (technische Umsetzung)
- Betriebsorganisation & Support (Wartung, Betrieb)
- Externe Partner (Beratung, Integration, Zulieferung)
- Endanwender (Akzeptanz, Nutzungserfolg)
Jeder dieser Akteure hat eigene Ziele, Erwartungen und Risiken – ein erfolgreicher Projektmanager kennt diese Perspektiven und integriert sie aktiv.
3.2 Stakeholder analysieren und steuern
Ein bewährtes Instrument zur Analyse ist die Stakeholder-Matrix. Sie visualisiert den Einfluss und das Interesse der Beteiligten und unterstützt die Planung individueller Kommunikationsstrategien.

Grafik 3: Stakeholder-Matrix – Einfluss vs. Interesse
Interpretation:
- hoher Einfluss, hohes Interesse → Eng einbinden (z. B. Lenkungsausschuss)
- hoher Einfluss, geringes Interesse → Strategisch informieren (z. B. Top-Management)
- niedriger Einfluss, hohes Interesse → Regelmäßig konsultieren (z. B. Key-User)
- niedriger Einfluss, geringes Interesse → Minimal informieren (z. B. Randinteressenten)
3.3 Kommunikationsstrategie entwickeln
Effektive Stakeholder-Kommunikation ist:
- zielgruppengerecht: technischer Inhalt für IT, business-orientiert für Entscheider
- mediengerecht: z. B. persönliche Gespräche für sensible Themen, Dashboards für Monitoring
- kontinuierlich: Kommunikationsplan mit Frequenzen und Verantwortlichkeiten
- authentisch: klare Aussagen, keine Verschleierung bei Risiken oder Verzögerungen
Ein strukturierter Kommunikationsplan gehört deshalb in jedes Projekthandbuch. Er legt fest, wer, wann, was und wie kommuniziert.
3.4 Stakeholder als Erfolgsfaktor
Projekte mit aktiver Stakeholderbeteiligung…
- …haben eine höhere Umsetzungsgeschwindigkeit
- …verzeichnen weniger Reibungsverluste bei der Abnahme
- …profitieren von mehr Akzeptanz der Lösung im Betrieb
- …reduzieren Änderungsbedarf durch frühzeitiges Feedback
Fazit: Wer Stakeholder nicht nur verwaltet, sondern gezielt einbindet, gestaltet aus Projekten gemeinschaftlich getragene Initiativen – mit messbar höherem Erfolg.
Kapitel 4: Planung und Struktur – Ohne Fundament kein nachhaltiger Projekterfolg
Eine der häufigsten Ursachen für das Scheitern von IT-Projekten ist mangelnde oder unzureichende Planung. Dabei ist der Plan nicht das Ziel, sondern das Planen selbst – die strukturierte Auseinandersetzung mit Zielen, Ressourcen, Risiken und Abhängigkeiten.
4.1 Vom Ziel zur Struktur: Die Bedeutung der Projektdefinition
Ein IT-Projekt ohne klare Zieldefinition ist wie ein Schiff ohne Kurs. Bereits vor der technischen Planung müssen folgende Fragen eindeutig beantwortet sein:
- Was genau soll erreicht werden?
- Woran wird der Projekterfolg gemessen (KPIs)?
- Welche Nicht-Ziele gibt es (z. B. Out-of-Scope)?
- Welche Rahmenbedingungen sind unverrückbar (z. B. Budget, Deadline)?
Diese Definition wird oft im Project Charter oder Projektauftrag festgehalten. Sie ist verbindlich, verständlich und überprüfbar.
4.2 Strukturplanung: Arbeitspakete, Meilensteine und Abhängigkeiten
Große Projekte wirken schnell unüberschaubar. Der Weg zur Beherrschbarkeit führt über Strukturierung – in:
- Arbeitspakete (Work Packages): kleinste plan- und steuerbare Einheiten
- Arbeitspaketspezifikationen: enthalten Aufwand, Ressourcen, Schnittstellen, Ziele
- Meilensteine: wichtige Zwischenergebnisse mit Go/No-Go-Charakter
- Netzpläne / Gantt-Diagramme: visualisieren Abhängigkeiten und Zeitplanung
Tipp aus der Praxis:
Erstelle den
Projektstrukturplan (PSP) in mehreren Ebenen – z. B. fachlich (Module), organisatorisch (Teams) oder nach Phasen (Timeboxing). Der PSP ist das Rückgrat jedes professionellen Projektmanagements.
4.3 Planungstools: Excel war gestern
Während kleine Projekte vielleicht mit Excel auskommen, stoßen komplexe IT-Projekte damit schnell an Grenzen. Bewährte Tools sind:
- MS Project / Project Online: etabliert im klassischen Projektumfeld
- Jira + Confluence: stark im agilen Umfeld, gute Kollaboration
- Smartsheet, Wrike, Monday: flexibel, cloudbasiert, visuell
- Planisware, Clarity, Sciforma: PMO-geeignet, strategisch integrierbar
Für IT-Projekte mit mehreren Teams, parallelen Streams und internationaler Abstimmung ist ein zentrales Planungssystem (inkl. Zugriffs- und Rechtemanagement) unerlässlich.
4.4 Risikomanagement als Planungsbestandteil
„Was schiefgehen kann, wird schiefgehen.“ – Murphy’s Gesetz hat in IT-Projekten oft erschreckend hohe Trefferquoten. Umso wichtiger ist ein professionelles Risikomanagement:
- Risikoidentifikation: technische, organisatorische, menschliche Risiken
- Risikobewertung: Eintrittswahrscheinlichkeit × Schadenshöhe
- Maßnahmenplanung: Prävention, Detektion, Reaktion
- Risikoregister: laufende Dokumentation, Verantwortlichkeiten
Besonders kritisch sind Projektstart, Releasewechsel und Migrationen – hier sollte ein „Go-Live-Risiko-Workshop“ zur Pflicht gehören.
4.5 Planung ≠ Realität: Der Umgang mit Abweichungen
Kein Plan überlebt die erste Konfrontation mit der Wirklichkeit. Daher gilt:
- Baue Puffer ein (zeitlich, personell, technisch)
- Nutze Rolling-Wave-Planning (Detailplanung für nahen Horizont)
- Etabliere ein Change-Control-Board für kontrollierte Plananpassungen
- Definiere Toleranzbereiche für Kosten, Zeit und Qualität
Fazit: Eine gute Planung ist keine Garantie für den Erfolg – aber ohne sie ist das Scheitern fast vorprogrammiert. Struktur ist der Kompass, den jedes Projekt braucht.
Kapitel 5: Teamdynamik und Führung – Projekte scheitern nicht an Technik, sondern an Menschen
In der öffentlichen Diskussion über IT-Projekte dominieren oft technische oder methodische Themen. Dabei ist der häufigste Grund für Verzögerungen, Konflikte oder das Scheitern von Projekten schlicht: unzureichende Teamführung. Technik lässt sich beherrschen – Menschen muss man führen.
5.1 Die Bedeutung der Projektkultur
Eine gute Projektkultur zeigt sich nicht in schönen Präsentationen, sondern im täglichen Umgang:
- Wie wird mit Fehlern umgegangen?
- Wie offen wird kommuniziert?
- Wird Verantwortung übernommen – oder verschoben?
- Wie sichtbar ist gegenseitiger Respekt?
Kultur entsteht durch Vorbild – nicht durch Vorgaben. Projektleitungen, die Offenheit, Klarheit und Lösungsorientierung vorleben, prägen ihr Team nachhaltig.
5.2 Führung in Projektkontexten: Einfluss statt Macht
Projektleitungen verfügen selten über disziplinarische Macht. Ihre Wirksamkeit basiert auf:
- Fachlicher Autorität (Kompetenz, Erfahrung)
- Sozialer Kompetenz (Empathie, Konfliktfähigkeit, Kommunikation)
- Struktureller Klarheit (Aufgaben, Rollen, Ziele)
Gute Projektmanager:innen schaffen Transparenz, moderieren konstruktiv und führen das Projekt über Vertrauen – nicht Kontrolle.
Tipp aus der Praxis: Setze regelmäßig auf „Führung durch Fragen“:
„Was braucht ihr, um schneller zu werden?“
„Welche Entscheidung fehlt euch?“
„Was blockiert euch – und wie können wir das ändern?“
5.3 Rollenklärung – Verantwortung eindeutig zuweisen
Rollen und Verantwortlichkeiten müssen nicht nur benannt, sondern auch verstanden und gelebt werden. Ein effektives Instrument hierfür ist das RACI-Modell:
- R = Responsible → Wer erledigt es?
- A = Accountable → Wer trägt die Verantwortung?
- C = Consulted → Wer wird eingebunden?
- I = Informed → Wer muss informiert werden?
Beispiel:
Beim Deployment eines neuen Release:
Aufgabe | R | A | C | I |
---|---|---|---|---|
Technisches Deployment | DevOps-Engineer | IT-Leiter | QA-Team | Projektleitung |
Fachlicher Funktionstest | Key-User | Fachbereichsleitung | Projektteam | Management |
Diese Klarheit reduziert Konflikte und Verzögerungen erheblich.
5.4 Teamentwicklung – Durch Phasen zur Performance
Jedes Projektteam durchläuft typische Entwicklungsphasen (nach Tuckman):
- Forming – Orientierung, Unsicherheit
- Storming – Konflikte, Rollenklärung
- Norming – Teamregeln, Vertrauen
- Performing – produktives Arbeiten
- Adjourning – Auflösung, Reflexion
Ein professioneller Projektmanager erkennt diese Phasen und unterstützt sie aktiv: durch Teambuilding, Moderation und Feedbackrunden.
5.5 Kommunikation ist alles – wirklich alles
In IT-Projekten wird oft zu viel dokumentiert – aber zu wenig gesprochen. Deshalb:
- Führe tägliche Stand-ups (nicht nur im agilen Umfeld)
- Nutze klare Kommunikationskanäle (Slack, MS Teams, Jira-Kommentare)
- Dokumentiere Entscheidungen transparent (nicht nur Aufgaben!)
- Fördere informelle Kommunikation – auch in virtuellen Teams
Projekte mit guter Kommunikation brauchen weniger Krisenmanagement – weil sie seltener in Krisen geraten.
Kapitel 6: Methodenwahl und Projektansatz – Der richtige Rahmen für das richtige Projekt
Ein häufiger Denkfehler in der Projektplanung lautet: „Wir arbeiten agil, weil das modern ist.“ Oder: „Das war schon immer ein klassisches Projekt.“ Dabei sollte sich die Methodik dem Projektziel und -kontext anpassen – nicht umgekehrt.
6.1 Klassisch, agil, hybrid – ein Überblick
Klassisch (Wasserfall, V-Modell)
Eignet sich besonders für:
- Projekte mit klaren, stabilen Anforderungen
- regulierte Branchen (z. B. Medizintechnik, Banken)
- IT-Infrastrukturprojekte (Rechenzentren, Netzwerke)
Merkmale:
- Phasenbasiert (Planung → Umsetzung → Test → Betrieb)
- Stark dokumentengetrieben
- Hohe Planbarkeit, aber geringe Flexibilität
Agil (Scrum, Kanban, SAFe)
Eignet sich für:
- inkrementelle Entwicklungen mit sich ändernden Anforderungen
- Software-Entwicklung, UX-getriebene Produkte, Cloud-native Lösungen
- Projekte mit engem Austausch zwischen Business & IT
Merkmale:
- Iteratives Vorgehen in Sprints oder Flows
- Fokus auf „Working Software“ statt Dokumentation
- Hohe Kundenbeteiligung, schnelle Feedbackzyklen
Hybrid (Wasserfall + agil kombiniert)
Eignet sich für:
- größere Programme mit unterschiedlichen Teilprojekten
- Unternehmen, in denen Governance mit agilen Teams kombiniert werden muss
- Migrationsprojekte oder ERP-Einführungen
Merkmale:
- Kombination aus Top-down-Steuerung und agiler Umsetzung
- Strukturiertes Rahmenwerk + agile Teams in Teilbereichen
- Höhere Komplexität, aber maximale Steuerungsfähigkeit

Grafik 2 (nochmals): Vergleich Klassisch – Agil – Hybrid
6.2 Kriterien für die Methodenwahl
Wichtige Fragen, die bei der Entscheidung helfen:
- Wie veränderlich sind die Anforderungen?
- Wie verfügbar sind Kunden/Stakeholder?
- Wie kritisch ist die Einhaltung von Terminen und Budgets?
- Wie erfahren ist das Projektteam mit agilen Methoden?
- Wie stark ist die regulatorische Einbindung (Audit, ISO, DSGVO)?
Ein Missmatch zwischen Projektart und Methodik ist ein Garant für Ineffizienz – z. B. wenn ein sicheres ERP-Migrationsprojekt in ein Daily-Scrum-Korsett gezwängt wird.
6.3 Methodenrahmen etablieren
Eine gute Praxis ist es, zu Projektbeginn einen Projektmethodenrahmen zu definieren, der dokumentiert:
- Vorgehensmodell: klassisch, agil, hybrid
- Prozesse: Planung, Steuerung, Change Control
- Rollen & Gremien: z. B. Scrum Master, Product Owner, Projektleiter, PMO
- Artefakte & Tools: Backlogs, Roadmaps, Projektstrukturpläne, KPIs
- Review- und Eskalationsmechanismen
Das sorgt für Klarheit, Vergleichbarkeit und Effizienz – gerade in Multi-Projekt-Umgebungen.
6.4 Methodenreife im Unternehmen
Die besten Methoden nützen nichts, wenn das Unternehmen nicht „reif“ für deren Anwendung ist. Prüfe vor Projektstart:
- Gibt es agile Erfahrung oder nur Schlagworte?
- Gibt es ein PMO, das bei klassischer Steuerung unterstützt?
- Werden Rollen in der Linie akzeptiert – z. B. Product Owner mit Entscheidungsmacht?
- Wie stark ist die Governance-Kultur – und passt sie zum gewählten Rahmen?
Fazit: Methoden sind Werkzeuge – nicht Religion. Entscheidend ist, dass sie zum Projekt passen und von den Beteiligten verstanden und akzeptiert werden.
Kapitel 7: Technologische Komplexität beherrschen – Architektur, Integration, Qualität
In kaum einem anderen Bereich ist die Wechselwirkung zwischen Technologie und Projektmanagement so unmittelbar spürbar wie in der IT. Komplexe Architekturen, vielfältige Systemlandschaften und permanente technologische Weiterentwicklungen stellen besondere Anforderungen an Planung, Kommunikation und Qualitätssicherung.
7.1 IT-Projekte ≠ reine Softwareprojekte
Ein häufiger Irrtum: IT-Projekte sind gleichbedeutend mit Softwareentwicklung. In Wahrheit reichen IT-Projekte oft tief in die Infrastruktur, Organisation und sogar Geschäftsprozesse hinein. Typische Komplexitätstreiber sind:
- Verteilte Systemlandschaften (On-Prem, Cloud, Hybrid)
- Integration von Altsystemen (Legacy-Umgebungen)
- Datensilos und unterschiedliche Datenmodelle
- Schnittstellenvielfalt (REST, SOAP, EDI, MQ)
- Technische Schulden (veraltete Komponenten, unzureichende Dokumentation)
Ein zentraler Erfolgsfaktor ist daher ein durchgängiges IT-Architekturverständnis – auf Projekt- und Organisationsebene.
7.2 Architekturarbeit im Projektkontext
In der Praxis ist die IT-Architektur selten fertig, wenn das Projekt startet. Daher braucht es:
- Projektarchitekten mit Gesamtblick (Enterprise, Solution, System)
- Architekturprinzipien (z. B. Loose Coupling, Security by Design, Scalability)
- Standardisierung von Schnittstellen und Datenmodellen
- Architektur-Dokumentation, die aktuell und nutzbar ist
Tipp: Vermeide „Architektur by Accident“ – also willkürlich gewachsene Strukturen ohne Plan. Frühzeitige Architekturentscheidungen wirken sich exponentiell auf Projektverlauf und Betriebskosten aus.
7.3 Integration als kritischer Pfad
Gerade in ERP-, CRM- oder Cloud-Projekten wird oft unterschätzt, wie aufwändig und risikobehaftet Integrationen sind. Typische Probleme:
- Fehlende Schnittstellenstandards
- Latenz und Transaktionssicherheit
- Unterschiedliche Semantik von Feldern (z. B. „Kunde“ ≠ „Debitor“)
- Unzureichende Testdaten oder Testumgebungen
Deshalb gilt: Integration First. Plane und entwickle Integrationen frühzeitig – nicht als nachträgliche „Anbindung“.
7.4 Technische Qualität sichern
Die Einführung moderner Entwicklungs- und Betriebsmodelle (CI/CD, DevSecOps, Infrastructure as Code) verändert auch die Qualitätskontrolle. Erfolgreiche IT-Projekte integrieren Qualität:
- früh (z. B. durch Test-Driven Development)
- kontinuierlich (durch Build- und Testpipelines)
- ganzheitlich (durch automatische Reviews, Penetrationstests, Performance-Checks)
Setze klare Qualitätsmetriken wie:
- Unit-Test-Abdeckung (>80 %)
- Zahl ungeplanter Hotfixes im Betrieb
- Time-to-Recovery (MTTR) nach Ausfällen
- Sicherheitslücken pro Release (und deren Schwere)
Fazit: Technologische Exzellenz ist kein Bonus, sondern Voraussetzung. Wer Architektur, Integration und Qualität nicht aktiv steuert, überlässt den Projekterfolg dem Zufall – und zahlt später mit technischen Schulden.
Kapitel 8: Projekterfolg messen – Kennzahlen, KPIs und Lessons Learned
Was als Erfolg gilt, ist in IT-Projekten selten eindeutig messbar. War ein Projekt erfolgreich, wenn es im Budget lag? Oder wenn die Nutzer begeistert sind? Oder wenn kein einziger Incident im Betrieb auftritt?
Der nachhaltige Erfolg eines IT-Projekts zeigt sich nicht allein im Go-Live, sondern in der Kombination aus Zielerreichung, Wertschöpfung und Lerneffekt.
8.1 Projekterfolg ganzheitlich definieren
Eine zu enge Sicht auf Erfolg (z. B. Zeit/Budget) führt zu Fehlverhalten im Projekt (z. B. Verzicht auf Tests, ungenügende Doku). Erfolgreiche IT-Projekte definieren daher mehrere Dimensionen:
- Zeitliche Zielerreichung (Plan vs. Ist)
- Budgettreue (inkl. Änderungsmanagement)
- Qualität der Ergebnisse (technisch & fachlich)
- Akzeptanz durch Nutzer (Usability, Performance, Vertrauen)
- Betriebliche Stabilität (z. B. Störungsquote nach Einführung)
- Organisatorischer Nutzen (Effizienz, Automatisierung, Compliance)
Ein ausgewogenes KPI-Set sichert die Ausrichtung auf langfristige Projekterfolge.
8.2 Key Performance Indicators (KPIs) für IT-Projekte
Beispiele für KPIs entlang des Projektverlaufs:
Phase | KPI | Zielgröße |
---|---|---|
Planung | Umfang geschätzter vs. beauftragter Aufwand | ≤ ±15 % Abweichung |
Umsetzung | Fertiggestellte vs. geplante Arbeitspakete/Sprints | ≥ 90 % |
Qualität | Fehlerquote pro Testzyklus | ≤ 3 % |
Betriebsvorbereitung | Anzahl erfolgreicher Abnahmetests | 100 % |
Go-Live | Major Incidents in den ersten 7 Tagen | ≤ 1 |
Betrieb | Benutzerzufriedenheit (NPS, Umfrage) | ≥ +30 NPS |
Tipp: Führe ein Projekt-Cockpit mit Live-Daten (z. B. aus Jira, GitLab, Monitoring) für Stakeholder.
8.3 Erfolg sichtbar machen
Projekte brauchen mehr als „Controlling“ – sie brauchen Anerkennung. Zeige Erfolge aktiv:
- Go-Live-Kommunikation (z. B. in Townhalls, Intranet)
- Demo-Days zur Vorstellung von Zwischenergebnissen
- Erfolgsgeschichten / Use Cases intern teilen
- Belohnungssysteme für Meilenstein-Teams
Das steigert die Motivation und erhöht die Sichtbarkeit von IT-Leistung in der Organisation.
8.4 Lessons Learned – Die Königsdisziplin
Abgeschlossene Projekte bieten wertvolle Erkenntnisse – wenn man sie konsequent auswertet:
- Was lief gut? Warum?
- Wo gab es Reibungen? Wie hätte man sie vermeiden können?
- Was wurde über Prozesse, Tools, Menschen gelernt?
Formate wie „Project Retrospective“, „Post-Mortem“, „Abschluss-Review“ oder „Failure Report“ sollten verpflichtend sein. Dabei gilt: Offenheit vor Formalismus. Wichtig ist nicht das Protokoll – sondern das Lernen.
Fazit: Erfolg lässt sich messen – wenn man weiß, was man messen will. Wer Projekterfolg ganzheitlich versteht und sichtbar macht, schafft die Grundlage für bessere Folgeprojekte und eine lernende Organisation.
Kapitel 9: Fazit – Erfolgsfaktoren im Überblick
Zum Abschluss fassen wir die zentralen Erkenntnisse aus diesem Leitfaden zusammen:
✅
Stakeholder einbinden: Frühzeitig, systematisch, kommunikativ
✅
Ziele klar definieren: Verständlich, messbar, realistisch
✅
Struktur schaffen: Projektstrukturplan, Meilensteine, klare Rollen
✅
Risikomanagement etablieren: Proaktiv statt reaktiv handeln
✅
Führung wahrnehmen: Moderieren, motivieren, moderat fordern
✅
Methodik passend wählen: Klassisch, agil oder hybrid – je nach Bedarf
✅
Technik aktiv steuern: Architektur, Integration, Qualität nicht delegieren
✅
Erfolg messen und reflektieren: KPIs + Lessons Learned als Pflicht